Midnight Sun Marathon - Tromsø - 21.06.2008

Tromsø

Hauptort der nordnorwegischen Provinz Troms und auf etwa 70° nördlicher Breite gelegen, ist dies ein Ort, an dem während zweier Monate im Sommer die Sonne nicht unter den Horizont sinkt.

Man lebt vom Tourismus, der im Sommer voll aufblüht, hat eine große Universität in der Stadt mit ca. 10.000 Studenten und etwas mehr als 50.000 Einwohner. Das kulturelle Angebot ist rund um das Jahr groß und selbst in der Dunkelzeit zwischen 21. November und 21. Januar, wenn die Sonne gar nicht über den Horizont kommt, mit einem Filmfestival und dem Nordlichtfestival sehr attraktiv.

Die schönste Zeit hier im Norden Norwegens ist aber der Juli, wenn die Tagestemperatur auch mehr als 20 Grad C erreichen kann und die Nächte warm und hell sind. Für ausgedehnte Touren muss man nach wie vor ausreichend Proviant mit sich nehmen, aber gegen Bären muss man sich heutzutage nicht mehr verteidigen.

Marathon-Info
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Zieleinlauf um Mitternacht - Der Marathon in Tromsø am 21.6.2008

Das war eine kalte Nacht. Der Regen hörte zwar am Abend schon um einige Minuten nach acht Uhr auf, aber die Luft blieb feucht und kühl, die Wolkendecke wurde nur allmählich dünner. Die Lufttemperatur lag knapp über 10 Grad, war zu ertragen. Ich hatte die letzten Stunden vor dem Start dösend und schlafend verbracht, um zum Startzeitpunkt etwas munterer zu sein. Aber das fiel mir dennoch schwer. Einige Minuten vor dem Start noch warmgelaufen, auf der freien Straße vor dem Startbanner, dann kurz hinter der Startlinie einsortiert. Alles ist überschaubar bei den nur etwa 500 Startern aus 45 Nationen. Der Startschuss fällt wie geplant um halb neun und nach wenigen Sekunden bin ich vorsichtig auf Tempo.

Kurz bnach dem Start

Das geht wirklich ganz schnell, denn es gibt fast keine Behinderung durch andere Läufer. Die Straße ist breit genug, das Feld ist vom Start weg offen und verteilt sich gut auf die Breite der Straße und zieht sich schnell auf Länge. Das ist auch nötig, denn bereits nach den wenigen Straßenzügen, entlang derer man durch die kleine Innenstadt läuft, kommt man nach etwa 500 Metern an das kleine Hafenbecken und muss hier zwei Engstellen passieren, die für eine große Läufermasse eine unfallträchtige Herausforderung darstellen würden. Die Straßenecken werden jetzt in kurzer Abfolge umlaufen. Ein Hin-und-her, dem ich am Ende des Marathon nicht unbedingt mehr gerne würde folgen wollen. Dann aber wird nach etwas mehr als einem Kilometer bereits der Stadtkern von Tromsø verlassen und über die Tromsbrua hinüber zum Festland nach Tromsdalen gelaufen.

Die Strecke bleibt jetzt bis zum ersten Wendepunkt nach etwa zehn Kilometern geradelinig und flach. Höhenunterschiede sind auch sonst kaum zu bemerken, mit Ausnahme der Brücke natürlich, die ja zweimal überlaufen werden muss. Aber der schlimmere weil steilere der beiden Anstiege liegt ja schon hinter mir und der ist auch eher ein psychologisches Problem, mit dem man sehr gut fertig werden kann. Die schmale Brücke gehört beim ersten Überqueren ganz den Läufern, der Straßenverkehr bleibt ausgesperrt. Auf dem späteren Rückweg über die Brücke nach etwa 20 Kilometern abgelaufener Strecke fließt der Verkehr jedoch wieder ungehindert und die Läufer müssen sich mit dem nördlichen der beiden Fußwege begnügen. Das ist zwar auch kein nennenswertes Problem, man fühlt sich als Läufer aber tatsächlich ein wenig "an den Rand gedrängt". An den Rand des Geschehens in der Stadt, sozusagen, und es ist zwar immer wieder auch Publikum an der Strecke, kleine Grüppchen oder einzelne Anwohner, teilweise sogar frenetisch in ihrem Jubel für uns Vorbeilaufende, aber man merkt der Stadt sonst kaum an, dass der Marathon am Abend hier eines der Highlights zur Sommersonnenwende ist.

Nach der ersten Hälfte wird schon einmal unterhalb des Zielbereichs vorbei durch die Innenstadt gelaufen. Kurzes Prüfen der Begeisterung der Zuschauer. Obwohl nun schon nach 22 Uhr (und es ist immer noch taghell), sind jetzt doch einige Menschen mehr an der Straße, als es vorhin noch zum Start waren. Um halb elf wird auch der Halbmarathon gestartet. Sicherlich auch deshalb ist hier jetzt etwas mehr los. Der hat zwar etwas weniger Teilnehmer als der Marathon mit seinen knapp 500 Startern, ein wirklich überschaubares Feld, doch schon bald nach diesem Start werden die ersten Marathonläufer bereits im Ziel erwartet.

Tromsøbrua

Aber nach den wenigen hundert Metern Stadtzentrum kehrt die Stille zurück. Jetzt wird in Richtung Südspitze der Insel gelaufen, auf der Tromsø liegt, der Tromsøya, vorbei an entlang der Küstenlinie neu entstandener Wohnblöcke, in denen man für teures Geld noch Eigentum erwerben kann. Darauf folgen Lagerhallen, ein Gewerbegebiet und schließlich der südlichste Punkt der Insel. 'Sydspissen' nennt sich denn auch der einzige Gastronomiebetrieb weit und breit. Doch die Aussicht von der breiten Terasse aus über den Fjord hinweg, auf die trotz der grauen Wolkendecke von der ganz im Norden stehenden Sonne, die direkt leider nicht zu sehen ist, beschienenen Schneereste auf den Bergen, will heute abend niemand mehr genießen. Die Luft bleibt in dieser Nacht feucht und je länger ich laufe, desto kühler fühlt sie sich an. Etwa einen Kilometer geht es noch durch schützende Bebauung in Form gemütlicher Eigenheime, dann kommt die Strecke wieder näher an die Küste und fegt ein auflandiger Wind von Nordosten her in die hauptsächlich vereinzelt leufenden Marathonis. Jetzt bin ich froh, mich doch für das langärmelige Hemd entschieden zu haben.

Der zweite Wendepunkt liegt unterhalb des Flughafenterminals auf der Westseite der Insel. Eine eigentlich einfallslose und uninteressante Strecke. Aber wo will man hier schon laufen, ohne gleich in die sich abseits der Fjorde erhebende Bergwelt aufsteigen zu wollen. Es kann nur entlang der Küstenlinie einigermaßen flach gelaufen werden und die ständige Aussicht auf die von Trollen und Geistern bewohnte Bergwelt mit ihren auffälligen Schneeresten lassen es dann doch nie langweilig werden. Zum Ende wird die Strecke dann auch etwas welliger, aber diese leichten Höhenunterschiede bereiten eigentlich keine Schwierigkeiten. Schlimmer wirkt sich die kühle und feuchte Luft auf die Muskulatur aus, denn bis kurz vor dem Start hatte es ja geregnet, die Wolkendecke blieb über der Stadt und dem Fjord hängen, und die Lufttemperatur ist bis Mitternacht eher weiter gesunken. Gefühlt bis unter 10 Grad, aber wer fühlt schon so genau? Die um Mitternacht noch über dem Horizont stehende Sonne ist wegen der Wolken leider nicht direkt zu sehen, ein paar wärmende Strahlen wären jetzt sehr angenehm, nur einige Berge weiter im Süden werden offenbar von dem milden Licht beschienen, was eine ganz eigenartige Stimmung verbreitet.

Ein insgesamt ungewöhnliches Laufevent, dass man entspannt angehen sollte, das von sehr engagierten Menschen organisiert wird und das entlang einer nie langweilig werdenden Küstenstrecke mit zwei Wendepunkten führt. Die Kilometermarkierungen beginnen hier erst bei Kilometer 1,195 und zählen rückwärts; (noch) 41, 40 usw., was für eine AIMS-vermessene Strecke etwas ungewöhnlich ist. Wer nach Zwischenzeiten kontrolliert laufen möchte und vielleicht eine bestimmte Zielzeit anstrebt, sollte sich vorher darauf einstellen.

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