Laufen im Paradies - Honolulu-Marathon - 11.12.2005

Honolulu

liegt auf O’ahu, der zweitgrößten der hawaiianischen Inseln. Es ist eine typisch amerikanische Großstadt mit (bescheidener) Skyline von Bürotürmen im Zentrum und Hotels am Waikiki und weit an die Ränder gedrängten Vororten mit gerade gezogenen Straßen und gleichförmig gebauten Häuschen.

Dank der tropischen Temperaturen und der hawaiianischen Lebensart gibt es aber kaum Stress in dieser Großstadt, schon gar nicht in der Nähe von Strand und Meer. An der Kalakaua Avenue konkurrieren die Coffeeshops und Morning Inns um hungrige Touristen, doch abseits der Geschäftigkeit lockt Entspannung im Kapiolani-Park oder in einem der vielen Country Clubs etwas weiter ausserhalb der Stadt.

Die Stadt hat einst den weltgrößten Straßenmarathon ausgerichtet, lange bevor die Teilnehmerzahlen auch in Deutschland in die Zehntausende gestiegen sind. Immer noch finishen etwa 22.000 bis 25.000 Starter und -innen diesen immer am zweiten Advent stattfindenden Lauf. Und dies trotz der tropischen Bedingungen.

Allerdings wird dieser Lauf bereits um 5.00 Uhr in der Früh gestartet, denn gegen 7.00 Uhr geht die Sonne auf und trägt ihren unbarmherzigen Teil zum Gelingen bei. Wer allerdings schnell genug läuft, bleibt den größten Teil der Strecke im Schatten.

Marathon-Info

Honolulu-Marathon am 11.12.2005

Geschafft. Angekommen. Das große Ziel erreicht: einen Marathon gelaufen. Es war dies nicht mein erster Marathon, und ich habe es hierbei nicht auf die Laufzeit angelegt. Es war vielmehr die Herausforderung, diese subtropische Strecke mit ihrem leicht bissigen Profil gut zu überstehen. Mahalo (Danke!) an all die freundlichen Streckenposten, Wasserreicher und die beiden klasse Livebands an der Strecke für ihr Engagement, das mir immerhin eine Laufzeit von 4 Stunden und zwei Minuten beschehrt hat. Bei ungefähr 24° im Schatten.

Laufen im Paradies, als das sich O'ahu durchaus zu recht bezeichnen kann. Es ist die drittgrößte Insel Hawai'is. Laufen durch und um Honolulu herum und am Waikiki entlang. Das ist schon traumhaft, auch das Wetter. Für den Lauf habe ich mir eigens noch eine extra kurze Hose gekauft. In rot - passend zum roten Shirt. Darauf wollte ich trotz der zu erwartenden Wärme nicht verzichten.

Vor dem 
  Start

Milder Wind schon am Start, klarer schwarzer Himmel mit einem fröhlichen Feuerwerk als Startsignal für die etwa 30 Tausend hinter der Startlinie. Es ist 5.00 Uhr morgens, hier eröffnet der Bürgermeister persöhnlich mit einer Ansprache und vergisst auch nicht das bevorstehende Weihnachtsfest gebührend zu erwähnen. Es ist der 11. Dezember 2005. Etwa zwei Drittel der Teilnehmer kommen aus Japan. Auch dies wird in der Ansprache gewürdigt, hängt doch vom Tourismus sehr viel für die Inseln und für O'ahu im speziellen ab, und ist mit Japan Airlines der Hauptsponsor des Events eben in jenem Land beheimatet. Klein, drahtig und immer freundlich, können die Japaner auch viel Krach machen, um sich gegenseitig anzufeuern, oder den letzten Joke zu erzählen. Einige von ihnen sind sehr schnell unterwegs. Nach der Ergebnisliste kommt ein Großteil der ersten 100 Platzierten aus Japan.

Es ist dies für sehr viele Teilnehmer mehr ein Familienfest und Volkswandertag, denn ein sportlicher Wettkampf. Das ist auch eine gesunde Einstellung zu der Strecke. Viele Läufer, die ambitioniert hier antreten, unterschätzen einfach die klimatischen Bedingungen und ihre eigene Leistungsfähigkeit bei einem überdurchschnittlich hohen Flüssigkeitsverlust während des Rennens. Sie überpacen schlicht solange es noch dunkel ist (etwa zwei Stunden) und brechen dann später ein. So kommen nicht wenige Laufzeiten von weit über acht Stunden zustande. Selbst als ich am späten Nachmittag (für mich war der Lauf bereits um 9.05 Uhr beendet!) noch einmal im Kapiolani-Park, der finish-area, bin und die Ergebnisliste nach bekannten Namen absuche, werden noch zwei Teilnehmer ins Ziel geklatscht. Das Zielbanner ist zu diesem Zeitpunkt bereits abgebaut aber die Matten für die Zeitnahme liegen noch.

Der Lauf gehört sicherlich zu den eher kuriosen Marathon-Veranstaltungen unserer Zeit. Nicht nur der frühe Start, auch der Streckenverlauf durch das nächtliche Downtown Honolulu, wo fast nichts los ist, ausßer vor ein, vielleicht zwei Kneipen, in denen man auf die Läufer gewartet zu haben scheint. Dann später über einen Highway, dessen langgezogene Aufs und Abs ähnlich zermürben, wie der letzte Anstieg nach Meile 24 zum Diamond Head bevor es schließlich in einem kurvigen Abstieg in Richtung Ziellinie in den Kapiolani-Park geht. Der pazifische Ozean liegt nur allzu nah dran, Waikiki-Beach liegt in Wurfweite.

Und dann das Teilnehmerfeld, dessen Gros auf die Strecke wie zu einer gigantischen Party geht. Spazieren, Wandern, Spaß haben, ankommen; egal wann.

Momente, die man nicht mehr vergessen möchte. Laufen in den Sonnenaufgang, kurz vor dem Halbmarathon-Punkt der Strecke, vorbei an (leider nur) wenigen Bands, deren Blues jeweils mein Gefühl zu eben diesem Zeitpunkt voll trifft. Schweiß aus jedem Quadratmillimeter der Haut, erst recht nach Sonnenaufgang und die unermüdlich aufmunternden 'looking good'-Phrasen der Streckenposten, deren ständig wiederkehrendes Anfeuern die stellenweise fehlenden Zuschauer wettmacht. Mit 'pace to zero' versuchen mir immer wieder die freundlichen Wasserreicher eine Pause zu verordnen, wenn ich an einem der Verpflegungsstände nach dem kühlen Nass greife und etwas verschütte. Ich falle dann ins Gehen zurück, laufe aber nur ein kurzes Stück langsamer weiter, will schnell an dem Hindernis Verpflegungspunkt vorbei sein und auch nicht ein Hindernis für andere darstellen. Dann bleibe ich aber auch einfach stehen und mache ein Foto, leider verwackeln viele.

Laufen lässt es sich prima. Offenbar bin ich für dieses Rennen schnell genug, um weit vorne und nicht so sehr im Pulk der Massen frei laufen zu können. Am unteren Ende des Highways und später in Kahala werden die Stände überschaubarer. Die Strecke ist es längst. Das Feld ist extrem auseinander gezogen. Schon auf den letzten beiden Meilen des Highways, für mich etwa bis Kilometer 36, für die mir Entgegenkommenden etwa um den Kilometer 15, kommen die Leute gehend, spazierend, man könnte sagen: dem tropischen Klima angepasst, die Strecke entlang.

Ab Kilometer 25 etwa beginnt das Ziehen in der Oberschenkelmuskulatur. Später wird es schmerzhafter und wird zu einem Muskelkater, wie ich ihn am Tag eines Laufs selbst noch nicht hatte. Ich versuche, das Tempo zurück zu nehmen, aber bleibe über die gesamte Strecke bei einer konstanten Geschwindigkeit, wie die Zwischenzeiten später belegen. Am letzten Anstieg spüre ich, wie ausgebrannt die Muskeln sind.

Ich habe jeden Wasserstand genutzt, und zusätzlich meine eigenen Mineraldrinks mit extra viel Salz dabei gehabt, etwa 600 ml. Das hat gereicht, um trotz des hohen Flüssigkeitsverlusts keinen Einbruch zu haben. Zwei Vielfruchtriegel habe ich außerdem eingeschoben. So ein Materialgürtel ist schon sehr lästig, ganz klar, besonders wenn man viel schwitzt und das Ding ständig die Position an der Hüfte verändert. Aber ohne Verpflegung, denke ich, steht man ganz schön dumm da. Wasser alleine spült auch nur alles Wichtige aus dem Körper heraus.

Den Abstieg in Richtung Waikiki zurück ab etwa Kilometer 40 kann ich nicht mehr beschleunigen. Die Muskulatur hat ihre Geschmeidigkeit aufgegeben, die Oberschenkel sind fertig, nicht mehr strapazierbar. Auch lachen hilft nicht - es ist gemein. Dafür lacht die Sonne von oben. Andere Läufer ziehen vorbei. Dann beginnt der Park und in einer langgezogenen Rechtskurve beginnen die letzten 400m. Meile 26 fliegt vorbei, jetzt werden die Schritte doch wieder größer, es geht noch was. Der Zieleinlauf ist breit und übersichtlich und verschluckt viele Sportler.

Ich reiße die Arme hoch, einer der bezahlten Fotografen hält es fest, und mir drückts das Wasser in die Augen. 26,2 Meilen permanent gerannt, gedacht, geatmet, kaum taktiert, aber den Lauf genossen und die Schmerzen ertragen - am Ende fallen die Emotionen einfach in dir zusammen. Das war nach dem ersten Marathon so und das ist das wichtigste Gefühl überhaupt bei solch einem Lauf. Das darf nicht fehlen und das ging dann auch noch unter der gleich hinter der Ziellinie aufgebauten Dusche weiter. Danach auf den Rasen setzen und zufrieden sein.

Und nach dem Lauf fängt der Tag gerade erst an...

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