Am 9. und 10. August 2008 bei Lenzerheide in Graubünden, findet diese sportliche Herausforderung nun schon zum 33. Mal in den Schweizer Alpen statt.
Dies ist kein Marathon-Lauf im Gebirge, wie der Titel eigentlich suggeriert. Hier handelt es sich vielmehr um einen Orientierungslauf im hochalpinen Gelände, der über sehr lange bis ultralange Distanzen ausgeschrieben ist.
Die Einteilung in verschiedene Kategorien erfolgt nicht in die sonst üblichen Alterklassen mit den jeweils angepassten Bahnlängen. Stattdessen hat man eine aus drei Streckenlängen zur Wahl (kurz, mittel und lang), bzw. ordnet sich in eine von zwei möglichen Hauptlinien ein:
a) Trail-Marathon, hier hat man weniger Orientierungsschwierigkeiten und nur Wege, auf denen man sich bewegt, Teams können teilweise auch aus mehr als zwei Läufern bestehen.
b) Orientierungs-Marathon mit mehr Kontrollposten und höheren Anforderungen an den Orientierungssinn.
Der Lauf wird nicht individuell, sondern in Teams von zwei Personen durchgeführt, die immer gemeinsam die Kontrollposten anlaufen müssen und die sich die mitzutragende Ausrüstung untereinander aufteilen. Der Lauf verteilt sich auf zwei Tage und man muss die für ein Nachtcamp in 2000 m Höhe benötigte Ausrüstung auf dem Rücken mittragen.
Zur Ausrüstung gehört neben wärmender Kleidung auch genügend Lebensmittel für die zwei Tage. Zelt, Schlafsack und Kocher mit genügend Brennstoff sind im Notfall überlebenswichtig und die Ausrüstung wird von den Veranstaltern auch nach dem Zieleinlauf noch auf vollständigkeit kontrolliert.
Seite des VeranstaltersNach der Nacht auf dem Berg gehen die Teams in die zweite Runde. Die Führenden in jeder der Wertungsklassen starten bereits um 7 Uhr im noch weichen, gelblichen Licht der tief stehenden Morgensonne. Die nächsten Teams folgen jeweils im zeitlichen Abstand ihres Rückstandes vom Vortag. Man spricht auch von einem Jagdstart, denn die Verfolger jagen nun die Führenden über die zweite Etappe des Laufs.
Die restlichen Teams, mit jeweils mehr als einer Stunde Rückstand, starten um 8 Uhr in einem Massenstart. Es sind etwas mehr als 150 Teams, die sich dieser Herausforderung stellen, die die Nacht in ihren Zelten auf 2000m Seehöhe in den Schweizer Alpen zwischen Arosa und Lenzerheide verbracht haben und die sich nun mit Karte und Kompass entlang einer vorgegebenen Reihe von Kontrollposten auf den Weg zum Ziel machen.
20 bis 42 Leistungskilometer sind heute nochmal je nach Klasse zu absolvieren und wer bei dem traumhaften Sonnenschein dabei ist, wird die Berge und die wunderschöne Aussicht in nahegelegene Täler und auf die in der Ferne liegenden Gipfel so schnell nicht vergessen.
Es ist der zweite Tag des R'ADYS Mountain-Marathon, einem Langstrecken-Orientierungslauf für Zweierteams über zwei Tage, bei dem man ständig seine Ausrüstung mit sich tragen muss. Bereits zum 33. Mal findet dieser Lauf statt und nur zweimal musste in den Jahren der Lauf wegen zu schlechten Wetters abgesagt werden. Jetzt in 2008 haben wir mit dem Wetter Glück.
Der Start am Samstagvormittag an der Mittelstation der Rothornbergbahn erfolgte in trüber Nässe auf 1900 m über Meeresniveau. Die Wolken hingen noch tief und der Start im Nebel hatte etwas Geheimnisvolles. Massensprint über die nasse Wiese zwischen Bergbahn und Restaurant über vieleicht 200 m. Dort mussten wir die Zettel mit den Postenbeschreibungen und -koordinaten aufnehmen, einen freien Platz auf der Wiese finden, die Karte ausbreiten, die mit ihrem beinah halben Quadratmeter Fläche sehr unhandlich war, und die Postenstandorte einzeichnen.
Dabei konnte man Fehler machen. Also sind Vavrara und ich ruhig und immer wieder kontrollierend bei der Übernahme der Koordinaten vorgegangen, was letztlich viel Zeit gekostet hat. Schließlich ging es dann wirklich los, erstmal 400 Höhenmeter aufwärts entlang der Seilbahntrasse.
Anfangs konnten wir noch auf der Skipiste den den Berg hinaufsteigen, später nurmehr dem steilen, grasbewachsenen Hang aufwärts folgen, der bald auch mit Felsabsätzen und kleineren Stein- und Geröllfeldern aufwartete. Die Seilbahn war in dem Nebel nicht mehr zu sehen, einen optischen Orientierungspunkt hatten wir also nicht. Aber immer wenn das Seil sich bewegte, die beiden Gondeln zwischen Berg- und Mittelstation unterwegs waren, war das Laufgeräusch der Stahlseile auf den gummiummantelten Laufrollen an dem Stützpfeiler zu hören, der auf der Bergkante in Richtung unseres ersten Postens stand. Ansonsten friedliche Stille.
Etwa 100 Meter querab der Seilbahn und etwas oberhalb dieser Kante musste der erste Posten laut Karte stehen. Etwa eine Stunde nach dem Start war er abgehakt.
Der Nebel löste sich allmählich auf, je höher wir kamen. An einem Grat schließlich, von dem aus wir wieder um etwa 200 m absteigen mussten, konnten wir auch endlich etwas von den umliegenden Bergen sehen. Zweiter Posten nach insgesamt 2 Stunden. Der stand an einem Teich und war mit zwei Leuten besetzt, die genau kontrollierten, ob auch jeweils beide Partner eines Teams dorthin kamen und nicht nur einer abgestiegen war, um den anderen zu schonen.
Wir mussten den Kilometer mitsamt der rund 200 Höhenmeter zu dem Grat nähmlich wieder zurück, um diesem dann weiter in Richtung Gipfel zu folgen.
Ja ja, die Berge. Der OL war auf einmal so klein und nebensächlich. Der weitere Anstieg bis an die Spitze des Parpaner Rothorns auf 2900 m führte wieder zurück in nebelige Verhältnisse und unterhalb des Gipfels, an einem sich zäh noch haltenden Schneefeld, hatten wir den ersten und einzigen Punkt während der zwei Tage, an dem wir etwas länger die Karte studieren und mit der Realität vergleichen mussten, um eine Entscheidung über den weiteren Weg zu treffen. Es ist gar nicht so leicht, aus der Perspektive von schräg oben (wir waren ja nicht über den Bergen, nur auf gleicher Höhe) das Kartenbild wiederzuerkennen, wenn auch noch mehrere Höhenzüge aus verschedenen Richtungen zusammenkommen. So ist es an diesem Rothorn. Der Abstich eine Geröllhalde steil hinunter in eines der Täler (das richtige), war dann auch erst zu erkennen, als wir oberhalb davon direkt darauf zu gekommen sind.
Ja, und dann ging es in rutschiger Fahrt abwärts, denn das Geröll und der feine Kies darunter boten nur losen Halt nach jedem Schritt. Man hat ja, wenn man in einem steilen Hang steht, abwärts blickend immer den Eindruck, dass man über seine Fußspitzen nach vorne überkippen könnte und wenn man sich dann hangwärts dreht und nach oben zurückschaut, bekommt man einen Schreck, wie steil doch das Gelände ist und man glaubt, hier nie heil herunter zu kommen. Dabei muss man sich nur ein wenig nach vorn neigen, um den Körperschwerpunkt über die Knie und die Füße zu bekommen und schon hat man einen sicheren Stand. Liegt der Schwerpunkt zu weit hinten, weil man sich instinktiv (etwas ängstlich) zurücklehnt, kommt man automatsch ins Rutschen, zumal das Gepäck auf dem Rücken den Schwerpunkt etwas weiter oben wirken lässt und dann beim Rutschen noch mithilft.
Von den über 150 Teams sieht man in der Weite des Geländes verhältnismäßig wenig. Einige Teams laufen weiter vor uns, wenige haben wir auch überholt, aber die meisten sind entweder sehr viel schneller, oder doch auf anderen Parcours unterwegs. Nach etwas mehr als vier Stunden Laufzeit können wir von weit oberhalb schonmal einen Blick auf das Camp am Ziel des ersten Tages werfen. Siehe da: die ersten Zelte stehen schon - und wir haben noch fünf Posten vor uns. Jetzt zwar in kürzeren Abständen angeordnet, aber ein längerer Aufstieg ist auch noch dabei. Ziemlich geschafft erreichten wir schließlich auch das Etappenziel nach 7 Std 15 Minuten, 19,2 km und etwas über 1500 Höhenmetern reine Anstiege.
Eine kleine Fläche für das Zelt, die einigermaßen eben war, ließ sich noch finden. Nach warmer Suppe, Tee, Trockenobst und Energieriegeln krochen wir schon früh in die warmen Schlafsäcke und ließen die kühle Nacht auf dem Berg einfach auf uns zukommen..
000196 | Kontakt | Startseite | Blog | Übersicht Laufsport | letzte Änderung: 30.11.2008 © Christian Drews